HEIMAT. AUF SPURENSUCHE IN MITHOLZ
Eine partizipative Ausstellung mit Menschen aus dem Bergdorf Mitholz über Heimat, Erinnerung, Risiko und Verantwortung, alpines Museum Bern (2022/2024)
vom 19. November 2022 bis 11. August 2024
EIN PARTIZIPATIVES AUSSTELLUNGSKONZEPT: inhaltlicher und szenografischer Entwicklungsprozess, räumliche Konzeption und Umsetzung der Installationen und der gesamten Ausstellung.
WEBSITE:
PRESSE:
Das Bulletin, Bernhard Tschofen, 20.11.2022
«Die Bilder der Ausstellung sind so stark. Dazu tragen neben der dauernden Präsenz der Betroffenen auch die starken Emotionen der von Karin Bucher verantworteten Szenografie bei: Das im «Hodlersaal» des Museums aus kreisrund positionierten Lautsprechern intonierte Abschiedslied an den Ort «Läb wohl Mitholz» geht unter die Haut, auch wenn man den Auftritt von Frauen und Männern aus Mitholz und dem Umfeld des Projekts nicht live an der Ausstellungseröffnung erleben hat können: «Mir müesse gah…»
«Ich hatte vor einigen Tagen die Gelegenheit, diese beeindruckende und spannend inszenierte Ausstellung zu sehen. Eine der grossen Stärken der Ausstellung ist, dass sie einem ein sehr unmittelbares Gefühl dafür gibt, was Heimatverlust bedeuten und wie er sich anfühlen kann. Wenn es aber schlimm ist, die eigene Heimat zu verlieren, dann heisst das im Umkehrschluss, dass es wertvoll ist, eine solche Heimat zu haben. Worin aber besteht dieser Wert? Und was ist das überhaupt – Heimat?»
«Die Ausstellung regt zum Nachdenken an, löst tiefgreifende Gedanken und Emotionen aus und schafft ein tiefes Mitgefühl mit den Menschen in Mitholz. Die sozialen und politischen Fragen, die diese Ausstellung aufwirft, gelten aber nicht nur für eine kleine Alpengemeinde, sondern für alle Menschen im 21. Jeder Raum der Ausstellung wirft Fragen auf, die sich auf die eigenen Erfahrungen und das eigene Leben beziehen: „Was bedeutet Heimat für mich?“, „Welchen Risiken bin ich in meinem Leben ausgesetzt?“ oder, ganz am Ende der Ausstellung, „Was hat das alles mit mir zu tun?“.In diesem letzten Raum können die Besucher ihre Antwort hinterlassen. Mittels einer interaktiven Station übermitteln sie so eine Botschaft an andere Besucher sowie an die Kuratorin und ihr Team. Weit mehr als 1500 bewegende Aussagen wurden bisher gesammelt und sind nun Teil der Ausstellung.»
«Viele Besucher betonten bei der Befragung die ausgewogene Mischung aus Information und Emotion.»
PUBLIKUMSSTIMMEN:
«Mitholz ist überall - es gibt vielerorts Altlasten, die wir beseitigen müssen»
«Mitholz steht für die Verantwortung des Menschen, seine Schäden an der Natur wieder rückgängig zu machen!»
«Wir müssen alle Verantwortung für unsere Entscheidungen übernehmen»
«Keine Munition mehr, bitte! Mitholz, Beirut und wo auch immer!»
«As a Ukrainian I understand the feeling of losing Home. You just cannot estimate how hard it is until it happens!»
«Stehen wir vermehrt zusammen - vieles geht uns alle an!»
DIE AUSSTELLUNG
Die Ausstellung „Heimat“ befasst sich mit Migrationsfragen, die jeden von uns betreffen. Sie zoomt auf das Alpendorf Mitholz, wo in den 1940er Jahren ein Munitionsdepot der Schweizer Armee explodierte. Da die verbliebene Munition heute geräumt werden muss, müssen die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Häuser für 15 Jahre verlassen.Das einzigartige Ausstellungsprojekt betritt Neuland. In einem zweijährigen partizipativen Prozess haben die Mitholzerinnen und Mitholzer zusammen mit dem Alpinen Museum die Ausstellung realisiert. Sie ist aber mehr als nur eine Dorfgeschichte. Die Ausstellung lädt das Publikum ein, sich mit „Heimat“ und dem Verlust von Heimat auseinanderzusetzen.
Die Inhalte der Ausstellung entstanden partizipativ im Gespräch und in Workshops mit der Bevölkerung aus Mitholz, ihre Gedanken sind in den vielen, mit grosser Schrift gestalteten Zitaten lesbar.Die vielen Blickwinkel auf das komplexe Thema sind in starke, emotional berührende Räume und Installationen gegliedert die sich wie einzelne Perlen an einer Perlenkette dramaturgisch zu einer Erzählung aneinanderreihen. In den Ausstellungsraum hineingestellt sind zwei Raumkonstruktionen: der Stollen und der Lösungsraum. Elemente die von Aussen das Leben im Mitholz bestimmen. Diese Räume sind innen strahelnd weiss gestrichen und haben eine andere Lichttemperatur.
Das grosse Modell im Massstab 1:160 empfängt und heisst die Besucher in Mitholz willkommen. Im Ohr ein fiktionales Gespräch unter drei Bewohnern. Damit wird klar, die gesamte Ausstellungsfläche ist Mitholz. Mitholz steht für ein Bergdorf, dass mit Bedürfnissen unserer Gesellschaft umgehen muss. Das Munitionsdepot, die Verbindung von Nord nach Süd, der Neataushub, der Steinbruch prägen die auf den ersten Blick idyllische Landschaft. Mitholz ist mit der BLS Nordrampe auch eine beliebte Landschaft zum Nachbauen unter Modelleisenbahnbauern, da sie viele Bahnkilometer auf keiner Fläche aufweist. Den Bahnhof gibt es als Bausatz zu kaufen. Unser Modell zeigt nicht nur die Bahn und die Idylle sondern der Parameter, der geräumt werden muss. Die Landschaft liegt im Dämmerlicht, der entwurzelte Baum, eine Hebebühne, ein Unfall sind zu entdecken.
Eine Millisekunde veränderte das Leben in Mitholz. Explosionsnacht hat sich in die DNA der Mitholzer eingeschrieben, davon erzählen ihre Zitate und Objekte. Die Explosionshängung übersetzt installativ die Kraft und Wucht dieses Ereignisses. Auf den schief in den Raum gestellten Ausstellungswänden wird durch Bilder, Fernseh- und Zeitungsberichte aus 1947 das Ausmass der Explosion, die Räumung und der Wiederaufbau nachvollziehbar.
Die Sprüche auf den Häusern in Mitholz stehen für die Hoffnung, für das Weiterleben und Vergessen. Es sind Botschaften an alle die nach Mitholz kommen. Sie stehen wie ein Denkmal für die kollektive Erinnerung. Wir haben sie vor Ort mit der Technik der Frottage abgepaust, archiviert und als für sich stehendes Original in den Raum gesetzt.
Der Stollen ist hell erleuchtet und steht als geschlossener langer Fremdkörper im Raum. In Anlehnung an das Bild eines Patienten leuchten die Fotografien der Bomben aus Leuchtkasten und von Aussen angebrachte Sensorlämpchen stehen für das Alarmierungssystem. Um den Stollen, seine Geschichte und das heutige Problem aufzuzeigen haben wir die komplexen Darstellungen und Beschreibungen mittels Illustration visualisiert. Am Schluss steht die Botschaft, dass Mitholz geräumt werden muss und die Bewohner ihre Häuser verlassen müssen. Ein langer Weg ist zu gehen - unausweichlich, die Tage, Stunden und Minuten sind gezählt.
Für den anfänglichen Schock, den Schmerz, das Zusammenstehen und vielleicht Versöhnen steht die Baumwurzel, das Abschiedslied und der aus Dachlatten neu gebaute Baum. Dass während dem Säubern in der Baumwurzel eine Patrone gefunden wurde, zeigt wie allgegenwärtig das Problem sich hier zeigt. Indem man dem Schmerz begegnet, ihn ausdrückt, zusammen steht können Wunden heilen. Aus gefälltem kann Neues anstehen, wenn wir uns gemeinsam erinnern.
Die Materialien im Archiv entstanden in Workshops mit Mitholzer:innen. Nicht nur individuelle Geschichten auch Sammelgut wird ins kollektive Gedächtnis aufgenommen. Daraus haben wir Objekte gestaltet, die alle Sinne berühren und eine imaginäre Reise zu den Menschen, zur Landschaft und zur Natur in Mitholz ermöglichen. Die Objekte sprechen für sich und regen eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Thema an.
Der Lösungsraum ist der zweite, in den Ausstellungsraum gestellter, oben geschlossener, hell erleuchteter Raum. Der theatral installierte Arbeitstisch lädt die einzelnen Spezialisten an einen Tisch und macht deutlich, dass wir uns mitten auf dem Weg befinden Lösungen für das komplexe Problem zu finden. Die Grafik ist ergänzbar, der Zeitstrahl wird sich im Laufe der Ausstellung füllen, nicht nur politische Entscheide stehen an.
Wir wollen wir in Zukunft leben? Mitholz wird man neu aufbauen müssen. Die Landschaft ist leer - eine weisses Architekturmodell lädt ein zu Visionen. Im Ohr ein fiktionales Gespräch von Bewohnern über das Zurückkommen im Jahr 2040, in den Händen einen Apfel. Aus jedem Apfelkern kann ein neuer Baum wachsen. Wie gehen wir mit unserem Paradies Erde um?
Die Ausstellung lädt die BesucherInnen ein, sich selbst mit Heimat auseinanderzusetzen. In der ganzen Ausstellung sind Fragen platziert. Am Schluss fragt die interaktive Installation nach den Antworten.
PROJEKTLEITUNG & KONZEPTION:
Barbara Keller
PROJEKTASSISTENZ & AUFBAU INSTALLATIONEN:
Claudia Heiniger
SZENOGRAFIE, KONZEPTION & INSTALLATIONEN:
Karin Bucher
GRAFIK:
Studio Daniel Peter
ILLUSTRATION:
Luigi Olivadoti
INTERAKTIVE STATIONEN:
Rob&Rose
LITERARISCHE TEXTE & KONZEPTIONELLE MITARBEIT:
Antoin Jaccoud
PROJEKTGRUPPE MITHOLZ:
Annelies Grossen, Kathrin Künzi, Marianne Schmid, Doreen Schmid, Dory Schmid, Karl Steiner, Jürg Trummer
PRODUKTION:
Eine Produktion des alpinen Museum Bern
KARIN BUCHER SZENOGRAFIE
ADRESSE:
Palais Bleu
Kantonsschulstrasse 6, 9043 Trogen
MAIL:
MOBILE:
+41 (0)78 664 74 89
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